Pepa Salas Vilar
Das Atelier von Pepa ist eines der ersten, die ich in Hannover für die Reihe „drinnen“ besucht habe. Ihr Arbeitsraum befindet sich in der Eisfabrik, wo es mehrere Galerien und Ateliers gibt. Bereits im Eingangsbereich begrüßen einen einige von Pepas Porträts. An diesem Ort ist es schummerig aber das Licht, das durch das Fenster hereinfällt, verleiht dem Raum einen fast magischen Charakter, weshalb genau dort das erste Porträt von Pepa entstanden ist.
Ihr Arbeitszimmer strahlt eine Ruhe aus und im Kontrast zum Empfangsbereich ist es hier sehr hell. Überall gibt es Gemälde und Gegenstände, die sie im Laufe der Zeit gesammelt hat und die sie jetzt in ihrem kreativen Prozess begleiten.
Wann begann dein Interesse für die Kunst?
Ich erinnere mich, dass ich als Kind wahnsinnig gerne gezeichnet habe. Während andere Kinder in meinem Alter Interesse am Sport, Tanzen, Singen usw. hatten, verbrachte ich Stunden damit, das zu zeichnen, was ich sah oder mir vorstellte.
Haben deine Eltern eine künstlerische Ausbildung oder waren sie an Kunst interessiert?
Nein, meine Eltern haben keine künstlerische Ausbildung. Tatsächlich konnten sie als Kinder und Jugendliche kaum zur Schule gehen. Beide stammen aus einem kleinen Dorf in der Sierra de Cazorla und mussten bereits sehr früh anfangen zu arbeiten. Sie hüteten die Tiere oder halfen auf dem Feld. Sie hatten keinen Zugang zu Museen, Kinos und allem anderen, was mit Kunst zu tun hatte. Allerdings umgab sie immer die Natur als höchster Ausdruck der Kunst. Und diese Liebe zur Natur haben sie mir weitergegeben.
Wann wurde dir klar, dass du von deiner Kunst leben, sie zu deinem Beruf machen wolltest?
Ich wollte schon immer von meiner Kunst leben, aber als ich 2010 nach Deutschland kam, hatte ich das Gefühl, dass ich nun wirklich auch davon leben könnte.
Wann hattest du dein erstes Atelier?
Seit 2011 habe ich mein erstes und bisher einziges Atelier, wo ich bis heute arbeite. Es befindet sich in der Eisfabrik.
Wie bist du zu diesem Atelier gekommen?
Ich habe im September 2010 im Rahmen von Zinnober die Eisfabrik besucht und erfahren, dass es dort ein freies Atelier gab. Ich habe mich beworben und im nächsten Jahr wurde ich ausgewählt. Seitdem bin ich hier.
Wie hast du davor gearbeitet?
Als ich in Spanien, Italien und Polen gelebt habe, hatte ich kein eigenes Atelier. Ich habe lediglich einen Raum im Haus meiner Eltern oder den Raum, in dem ich studiert habe, genutzt, um dort zu arbeiten. Aber ich hatte nie ein eigenes Atelier, bis ich nach Deutschland kam.
„Es ist ein magisches Nest, das eine Art von Leben erzeugt.“
Wie viel Zeit verbringst du durchschnittlich pro Tag in deinem Atelier?
Ich gehe jeden Tag der Woche ins Atelier, manchmal auch am Wochenende und arbeite acht Stunden am Tag.
Wie wichtig ist es für Künstler:innen ein Atelier zu haben?
Ich denke, es ist äußerst wichtig, einen Ort zu haben, an dem alle Materialien und Werkzeuge des Künstlers versammelt sind, um die Arbeit zu ermöglichen. Außerdem sollte das Atelier der Ort sein, an dem sich der Künstler inspirieren lassen kann und der seine Kreativität steigert. Das Atelier ist ein kreativer Zufluchtsort und ein einzigartiger Ort, um Kunst zu schaffen, ähnlich wie der Ausstellungsraum in einer Galerie oder einem Museum, der einzigartig ist, um Kunst zu betrachten. Es ist ein magisches Nest, das eine Art von Leben erzeugt. Für mich ist das Atelier der physische Raum, in dem der Geist und das Herz des Künstlers zusammentreffen, um ein Kunstwerk zu erschaffen.
Ist das Atelier für dich eine Art zweites Zuhause?
Nein, für mich ist es eher so etwas wie meine zweite Heimat. Der Ort, zu dem ich gehöre. Das Konzept des Hauses ist für mich der Ort, an dem ich mich ausruhe, schlafe, mich geschützt fühle, Filme schaue, mich entspanne. Das Atelier ist der Ort, an dem Träume geschaffen, wo Kämpfe ausgetragen werden, wo man sein eigenes Universum erschafft.
Hast du eine interessante, seltsame oder schöne Geschichte erlebt, die sich in diesem Atelier abgespielt hat?
Jeder einzelne Tag hier in meinem Atelier ist eine neue und bereichernde Erfahrung.
Interessieren sich Menschen, die deine Werke kaufen, für deren Entstehungsprozess?
Einige meiner Kund:innen interessieren sich tatsächlich dafür. Sie fragen mich oft, ob ich von Fotos aus male, warum ich Schwarz-Weiß-Malerei wähle, welche Technik ich verwende usw.
Wie war deine Ankunft in Hannover?
Nun, ich fand die Natur und die vielen Grünflächen in der Stadt wunderbar. Ich war sehr überrascht, wie lang der Winter hier dauert, obwohl ich bereits ein Jahr in Polen gelebt hatte, wo ich die kältesten Temperaturen meines Lebens erlebt habe, -19°C, denn ich komme aus Andalusien, der wärmsten Region Spaniens. Es fiel mir schwer, Deutsch zu lernen, denn die Sprache ist das Erste, was es einem ermöglicht, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Aber ich war gleichzeitig sehr neugierig, die Unterschiede kennenzulernen und fühlte mich glücklich, weil ich eigenständig beschlossen hatte, nach Hannover zu ziehen.
Möchtest du längerfristig in dieser Stadt und in diesem Land bleiben?
Vor der Pandemie hatte ich Pläne, in mein Heimatland zurückzukehren, aber nach all diesen Jahren der Unsicherheit habe ich beschlossen, in dieser Stadt und diesem Land zu bleiben, wo meine Arbeit als Künstlerin unterstützt wird.
Du hast auch einige Zeit in Hannover von zu Hause aus gearbeitet – wie war diese Erfahrung für Dich?
Als es aufgrund der Covid-19-Pandemie Einschränkungen gab, habe ich beschlossen, von zu Hause aus zu arbeiten, um das Risiko zu vermeiden, mit der U-Bahn fahren zu müssen aber das hat nicht gut funktioniert. Mein Zuhause ist sehr klein und beeinträchtigt daher die Arbeit, weil man sich in Bezug auf Format und Inspiration einschränken muss. In dieser Zeit habe ich mein Atelier sehr vermisst.
Hast du jemals einen schlechten Ratschlag von jemandem erhalten und wenn ja, warum war es ein schlechter Ratschlag?
Nun, als ich ein Teenager war, wollte ich Schriftstellerin und Fotografin werden. Ich erinnere mich, dass ein Lehrer zu mir sagte: „Wenn du dich dem Schreiben widmen möchtest, musst du täglich viel lesen, ansonsten wirst du nie gut schreiben können.“ Du musst wissen, dass ich damals Probleme aufgrund meiner synästhetischen Wahrnehmung mit dem Lesen hatte. Also dachte ich, dass ich diesen Traum vergessen könnte. Ich konzentrierte mich dann auf andere künstlerische Bestrebungen. An der Aussage ist natürlich etwas Wahres dran, aber heute glaube ich nicht mehr bedingungslos daran. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass es viele Möglichkeiten gibt, zu lesen, nicht nur Buchstaben auf Papier. Man kann in alltäglichen Erfahrungen, im Leben der Menschen, in Landschaften oder in der Natur lesen Ich weiß nicht, ob es ein schlechter Ratschlag war, aber er hat meinen Weg vielleicht in eine andere Richtung gelenkt, vielleicht in eine bessere, wer weiß...
Wie sieht es mit guten Ratschlägen aus?
Mein Bildhauerlehrer und späterer Doktorvater, Victor Borrego, hat mir einmal gesagt, als ich Kunststudentin in Granada war: „Pass auf, was du dir wünschst, denn es könnte wahr werden.“ Das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht, was ich wirklich im Leben will und mir wünsche. Also habe ich über meine Wünsche und Prioritäten nachgedacht, sie sortiert und mich auf einen konzentriert, nämlich den, Künstlerin zu sein. Das war ein guter Ratschlag, weil er dir hilft, den für dich richtigen Weg einzuschlagen.
Wenn du etwas in deinem Leben als Künstlerin ändern könntest, was wäre das?
Ich würde gerne von meiner Kunst in meinem Heimatland Spanien leben können.
Text: Janine Ahmann
Bilder: Irving Villegas
Janine Ahmann, geboren 1990, studierte Philosophie, Germanistik und Kulturpoetik der Literatur und Medien in Münster und Venedig sowie Deutsch als Fremdsprache über das Goethe Institut. Seit 2010 war sie in verschiedenen Positionen am Theater und an der Universität Münster tätig, kuratierte die Bereiche Musik und Bildende Kunst bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen und war von 2020-2023 als Referentin der Intendantin an der Staatsoper Hannover beschäftigt. Seit Beginn ihres Studiums liegt ein Fokus ihrer Tätigkeit auf dem Verfassen wissenschaftlicher, literarischer und journalistischer Texte. Zusammen mit Irving Villegas veröffentlichte sie zuletzt 2021 die Geschichte über die Einsamkeit während der Corona-Pandemie in Mexiko in der Chrismon.
Irving Villegas, geboren 1982 in Mexiko, hat Fotojornalismus und Dokumentarfotographie an der Hochschule Hannover University of Applied Sciences and Arts studiert. Derzeit pendelt er zwischen Hannover und Berlin.Arbeiten von ihm wurden in verschiedenen Magazinen und Zeitungen wie etwa The New York Times, The Guardian, Der Spiegel, 6 mois, Huffington post, Fluter, Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlicht.