Albert Pinya

Besuch im Atelier von Albert Pinya in Palma de Mallorca.

Bei der angegebenen Adresse im Zentrum von Palma de Mallorca finde ich eine weiße Plastiktür mit Glas vor, die mich an den Eingang eines Restaurants in Mexiko-Stadt oder an den eines Kiosk in Deutschland erinnerte. Rauchend tritt mir Albert entgegen. Nur einen Schritt später stehe ich bereits in seinem Atelier: Ein weißer Kubus mit hohen Decken, an dessen Wänden keine Bilder hängen. Stattdessen gibt es drei an die Wand gelehnte Leinwände, an denen er gleichzeitig arbeitete und einige weitere leere, die noch darauf warteten, bemalt zu werden. Im Hintergrund läuft das Radio. Im Raum befinden sich nur sehr wenige Möbelstücke: Ein Tisch, ein Stuhl sowie ein Schaukelstuhl. Mein erster Gedanke ist, dass er noch nicht lange in diese Raum arbeitet aber im Laufe unseres Gesprächs berichtet mir Albert, warum er die Leere so schätzt. Er spricht mit mir, als würde wir uns schon lange kennen, fragt freundlich, wenn er sich eine neue Zigarette anzündet und vergewissert sich regelmäßig, dass ich etwas zu trinken habe. Zu Beginn unterhalten wir uns etwa eine halbe Stunde lang, was mir Zeit gibt, das Atelier und seine Bewegungen hier kennenzulernen und die passenden Orte für die Porträts zu finden. 

Albert erzählt mir unter anderem von seiner lebensverändernden Erfahrung im Internat, wie er nicht aufhören kann, über Kunst nachzudenken, von seinen Gefühlen und der Einstellung über seinen Arbeitsplatz, seine künstlerischen Einflüssen und seinen Anfängen in der Kunstwelt.

Man kann in einem sehr kleinen Raum arbeiten, wie winzig er auch sein mag. Wichtig ist die Haltung, mit der man der Arbeit begegnet und die Bereitschaft, die man hat, etwas hervorzubringen.

Was war dein erstes Atelier oder dein erster Arbeitsraum?

Der erste Raum in dem ich wirklich etwas eigenes erarbeitete, war während meiner zwei Jahre im Internat in Paterna, Valencia. Ich begann in meinem Zimmer. Es war ein winziger Raum. Es gab ein Bett, eine Kommode, einen Kleiderschrank, einen Spiegel und einen kleinen Schreibtisch. Das Zimmer hatte ein Fenster aber dieses war vergittert – wie im Gefängnis. Man konnte nicht einmal seinen Arm herausstrecken. Die Priester, die uns betreuten, waren so amüsiert darüber, mich in diesem Raum mit den ganzen Pinseln, Farben und anderen Utensilien zu sehen, dass sie mir vorschlugen, mir einen Arbeitsraum zur Verfügung zu stellen, in dem ich am Wochenende arbeiten konnte. Ich erzähle das, weil ich diese Erfahrung für sehr wichtig erachte. Wenn du diesen Raum gesehen hättest, in dem ich gelebt und gemalt habe, wärst du erstaunt gewesen. Er war kleiner als eine Streichholzschachtel. Ich verwende das immer als Beispiel, weil ich der Meinung bin, dass der Künstler oder auch andere kreative Berufsgruppen, die etwas kommunizieren wollen, niemals durch den Raum bestimmt sein dürfen. Man kann in einem sehr kleinen Raum arbeiten, wie winzig er auch sein mag. Wichtig ist die Haltung, mit der man der Arbeit begegnet und die Bereitschaft, die man hat, etwas hervorzubringen.

Wie war die Zeit für Dich dort?

Ich erinnere mich in dieser Zeit an einen der besten Momente meines Lebens. Das war der Moment, als ich die Gewissheit hatte, dass die Kunst das ist, was ich machen will. Das ich damit später meinen Lebensunterhalt verdienen möchte. Die Zeit im Internat war für mich sehr hilfreich, da ich viel Zeit allein verbrachte. Nur wenn man alleine ist, kann man wirklich in sich hineinhören und herausfinden, was man mit seinem Leben anfangen will auch wenn es schwierig ist, dies zu bekommen. Deswegen habe ich sehr gute Erinnerungen an die Zeit dort. Ich habe mich überhaupt nie verloren oder desorientiert dort gefühlt. Ganz im Gegenteil: Ich begann meine eigenen Weg zu gehen.

Wie kam es dazu, dass du auf ein Internat gegangen bist?

Mit 17 Jahren war ich an einem Tiefpunkt in meinem Leben angekommen. Mir wurde immer klarer, dass Mallorca als Stadt für mich und meine Träume zu klein war. Es war in gewisser Weise meine Entscheidung, denn ich musste raus von zu Hause. Als ich ins Internat ging, war das der Moment für mich, bei Null anzufangen, meine eigenen Erfahrungen zu sammeln und mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Natürlich war es nicht immer einfach. In diesem Alter braucht man immer noch die Unterstützung. Man ist noch nicht in der Lage sich zu 100% zu emanzipieren und auf eigenen Füßen stehen zu können. Aber auf der Ebenen des Denkens, auf der Ebene der Persönlichkeitsfindung ist diese Zeit, dieses Alter, eine sehr grundlegende und daher war es der richtige Moment für mich zu gehen.

Nach dem Internat war ich für ein Jahr auf der Akademie der Schönen Künste, wo es mir aber nicht gefallen hat.

Wie viele Schulen hast du vor deiner Zeit im Internat besucht?

Ich war auf mehreren Schulen. In meiner Jugend war ich nicht ganz einfach und musste öfter von einer Schule genommen werden und eine neue suchen. In diesem Alter ist man ja manchmal gegen viele Dinge, gegen das System, gegen das, was von einem erwartet wird. Das hat mich also sehr überwältigt und ich habe dagegen rebelliert. Ich war wie ein wildes Tier, wie jemand, den man nicht bändigen konnte. Mit der Zeit habe ich gelernt, andere Fähigkeiten zu entwickeln, wie zum Beispiel die Geduld, denn als guter Maler habe ich keine andere Wahl, als zu lernen, geduldig zu sein.

Besuch im Atelier von Albert Pinya in Palma de Mallorca.

Wann hast du gemerkt, dass du dich für Kunst interessierst?

In der Schule hatte ich einen wirklich tollen Literaturlehrer, der mich mit dem Virus der Poesie infiziert hat. Er empfahl mir eine Lyrikanthologien und nach dem ich diese durchgearbeitet hatte, begann ich selbst zu recherchieren und immer mehr und mehr zu lesen und schließlich auch selbst zu schreiben. Deshalb sage ich oft, dass ich bereits von klein auf das Schreiben kultiviert habe. In der Tat waren es Wörter, die mich mit der Zeit dazu brachten, mit Bildern zu arbeiten. All das hat mich nach und nach dazu gebracht, das Abitur zu machen. Dann habe ich mich für das künstlerische Abitur entschieden, wo ich Fächer wie Kunstgeschichte, Zeichnen, Literatur und Philosophie hatte. Auf diese Weise habe ich mich nach und nach immer besser selbst kennengelernt und herausgefunden, welchen Weg ich gehen wollte.

Wie war dein erster Schritt zu deinem eigenen Atelier?

Das erste Atelier, das ich auf Mallorca hatte, befand sich im selben Gebäude wie mein Elternhaus. Es war der Dachboden des Hauses, in dem der Pförtner der Finca wohnte. Als dieser starb, kehrte ich gerade aus Valencia zurück und besetzte heimlich den ganzen Platz. Das führte natürlich auch zu Unstimmigkeiten in der Nachbarschaft, weil nicht alle damit einverstanden waren und so wurde ich schließlich rausgeschmissen.

Danach mietete mein Vater, sehr großzügig, ein kleines Büro für mich im selben Gebäude, in dem er wohnte. Das war der Raum, in dem ich bis vor zwei Jahren gearbeitet habe, bis ich meine jetzige Werkstatt fand. An dieses Büro habe ich ganze 15 Jahre lang gearbeitet und viele gute Erinnerungen. Ich habe den Ort "Pinya-Labor" getauft. Der Raum war nicht so klein wie das Zimmer im Internat, aber auch eine Mausefalle mit niedrigen Decken, im ersten Stock, was schon bedingt, dass man an die Treppen denken muss, dass man nicht in vielen Formaten arbeiten kann. In den letzten Jahren, die ich in diesem Raum verbracht habe, war mir schon klar, dass er zu klein ist, vor allem für die Umsetzung neuer Ideen, man musste einen Schritt nach vorne machen. Außerdem näherte ich mich im Alter von 35 Jahren einem Übergangspunkt in meiner Karriere, an dem es sinnvoll war Risiken einzugehen und weiterzugehen.

In den letzten Jahren in diesem Atelier wurde mein Vater sehr krank, so dass ich mich entschied, noch eine Zeitlang dortzubleiben. Ich konnte meinen Vater, der zwei Stockwerke über dem Atelier wohnte, besuchen und ihm zur Hand gehen. Als mein Vater starb beschloss ich, mir etwas Neues zu suchen und ich bin in meinem jetzigen Raum gelandet, in den ich mich von Anfang an verliebt habe.

Für mich sind Werkstätten und Ateliers häufig das Spiegelbild des Geistes des Künstlers.

Wie hast du diesen Ort gefunden?

Ich habe das Atelier zusammen mit meiner Freundin im Internet gefunden. Er diente als Garage für die Autos des damaligen Besitzers. Ich habe die Eingangstür eingebaut, den ganzen Boden und die Wände neu gestrichen Mit dem, was es früher war, hat der Raum jetzt nichts mehr zu tun. Für mich war klar, dass ich einen Raum mit guter Höhe und offenem Grundriss wollte. Das Wichtigste für mich war, dass ich den Raum in einen White Cube verwandeln konnte. Das ist für mich der Traum von einem Atelier, in dem ich immer arbeiten möchte. Als ich ankam waren die Wände so gestrichen, wie es früher typisch für Garagen war: Die untere Hälfte in grauer Farbe, damit man Verschmutzungen nicht so schnell sieht. Ich habe sie dann komplett weiß gestrichen. Für mich sind Werkstätten und Ateliers häufig das Spiegelbild des Geistes des Künstlers. Ich mag Ordnung und Struktur sehr und das auf eine fast ungesunde, zwanghafte Art und Weise. Das kommt aber nicht aus einer Laune heraus, sondern weil ich gemerkt habe, dass mein Kopf viel besser funktioniert, wenn Ordnung herrscht. So kann ich mir Dinge und Ideen besser vorstellen, sie besser konzipieren, wenn ich ich in einem sauberen, weißen Würfel arbeite.

Mir ist aufgefallen, dass alles hier sehr geordnet ist: die Farben, die Gläser, die Pinsel. Ich gehe davon aus, dass das alles eine Bedeutung hat?

Wie ich bereits sagte: Mein Kopf funktioniert so am besten, ausgehend von einer Ordnung. Ich habe eine Menge Manien, mit parallel verlaufenden Linien, wie sie durch verschiedene Elemente in meiner Werkstatt entstehen. das ist eine fast krankhafte Eigenschaft. Ich mache es nicht bewusst, aber ich neige immer dazu, alles zu ordnen. Jeder hat seine eigenen Praktiken, ich war zum Beispiel fasziniert, als ich die Ateliers von Francis Bacon oder Lucian Freud sah, wo alles eine Einmaligkeit hatte, ausgehend von der Anhäufung vieler Bestandteile, ein bisschen Dekadenz, Schmutz. Ich erinnere mich, dass ich von einer Wand in Bacons Atelier sehr fasziniert war, an der er seine Farbtests durchführte. Es hätte ein Kunstwerk für sich sein könnte. Ich erinnere mich, wie viele Zeitschriften bei ihm im Atelier herum lagen. Ich wäre nicht in der Lage, so zu arbeiten. Mein Kopf wäre nicht in der Lage, die Dinge so klar zu sehen, wie er sie in der absoluten und radikalen Ordnung sieht, mit der ich jetzt gerne arbeite. Die Pinsel sind dabei für mich eines der grundlegendsten Werkzeuge. Sie sind für mich wie die Verlängerung meiner Finger, meiner Hände, der Hände des Malers. Sie sind meine Skalpelle. Sie sind das, womit ich operiere. Sie müssen immer sehr sauber sein.

Albert Pinya - Palma de Mallorca.
Albert Pinya

Es gibt sehr wenig Möbel in deinem Atelier. Warum hast du ausgerechnet diese beiden Stühle?

Den kleinen Stuhl habe ich vor vielen Jahren auf der Straße gefunden und mitgenommen, da ich dachte, dass er für irgendetwas nützlich sein könnte. In der Tat ist es dieser Stuhl, den ich normalerweise benutze, wenn ich Besuch kriege und auf dem ich normalerweise sitze. Ich biete meinem Besuch immer den Schaukelstuhl an, der für mich wie mein Thron ist. Ihn habe ich von meiner Partnerin zum Geburtstag geschenkt bekommen, inspiriert vom Atelier des Meisters Miró. Er hatte auch so einen Schaukelstuhl und für mich ist es eine Art, ihn präsent zu halten. Miró war ein Künstler, den ich in meinen prägenden Jahren überhaupt nicht beachtet habe. Je älter ich werde und ihn wiederentdecke, desto mehr werde ich zu einem bedingungslosen Bewunderer seiner Arbeit.

Ich mochte besonders Mirós Einstellung zur Arbeit. Er stellte sich vielen Disziplinen und Herausforderungen ohne Angst, Bescheidenheit oder Komplexe. Er konnte alles machen, von der Titelseite eines Magazins, einem Plakat, einem Wandbild aus Keramik, monumentalen Skulpturen bis hin zu seinen Gemälden, seinen Arbeiten auf Leinwand.

Mirós Besessenheit bestand darin, seine eigene künstlerische Sprache zu entwickeln. Das deckt sich ein wenig mit meiner Besessenheit, die ebenfalls darin besteht, eine Sprache zu konstruieren, die dann erweitert und auf viele Register und Medien angewendet werden kann.

Und die Tatsache,dass ich nur diese beiden Stühle in meinem Atelier habe, hängt auch damit zusammen, dass ich mich weigere, andere Möbel wie ein Sofa oder ein Bett zu haben. Im Atelier soll gearbeitet und sich nicht ausgeruht oder entspannt werden.

Mir ist aufgefallen, dass einige deiner Bilder mit der Vorderseite zur Wand stehen. Was ist der Grund dafür? Lenken sie dich so weniger ab?

Nun, es gibt einige Bilder, die ich auch mit dem Gesicht zur Wand aufgehängt habe, weil ich manchmal etwas Abstand von ihnen brauche. Wenn man lange Zeit an ein und demselben Bild, an einem Konzept, an einer Idee arbeitet, ist es natürlich notwendig, dass es eine Zeit gibt, in der das Werk selbst lebt und seine eigene Verwandlung erfährt. Die Werke malen sich selbst, wenn sie ruhen.

Es gibt in deinem Atelier einige Leinwände, die aussehen, als würdest du bald beginnen, auf ihnen zu malen. Sehe ich das richtig?

Ich bereite die Leinwände oft in der Phase vor, in der ich anfange zu denken und eine neue Ideen keimen zu lassen. Denn selbst wenn dies unbewusst geschieht und ich während dieser Zeit an anderen Dingen arbeite, beginnt mit der Tatsache, dass die Leinwände auf mich lauern, ein wenig das Balzen, das Aufwärmen für die Zeit des konkreten künstlerischen Umsetzens, des Kampfes.

Wie viel Zeit verbringst du im Atelier?

Ich neige dazu, ziemlich diszipliniert zu sein. Je älter ich werde, desto strenger werde ich mit mir selbst. Jetzt ist es zum Beispiel sehr schwierig für mich, einen Tag nicht ins Atelier zu gehen. Normalerweise verbringe ich hier mehr Zeit als zu Hause. Im Durchschnitt bin ich etwa zehn Stunden hier. Früher war ich eher nachtaktiv, aber aufgrund meines Alters verschiebt sich meine Produktivität mehr in den Tag. Ich arbeite jetzt gerne mehr Stunden mit Tageslicht. Manchmal sitze ich im Schaukelstuhl, und lese gerne Gedichte, oder höre Radio.

Wenn die Menschen, die sich für deine Arbeit interessieren, den Prozess kennen würden, glaubst du, dass das Kunstwerk für sie dann einen größeren Wert hätte?

Wahrscheinlich ja. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn man auf eine Messe oder Ausstellung geht und die Gelegenheit hat, direkt mit dem Publikum in Kontakt zu treten, sie sehr neugierig sind, welche Geschichte und welcher Prozess hinter den Werken steckt, dass ich male, um nicht reden zu müssen. Es scheint mir oft ein Fehler zu sein, zu versuchen, eine Emotion zu erklären oder zu intellektualisieren.

Weißt du, wann ein Kunstwerk bereit ist, dein Atelier zu verlassen?

Ja, natürlich. Sonst kommt es ja nicht raus. Es ist das gleiche Gefühl, das man hat, wenn man gerade Sex hatte. Oder, wie der Künstler Antoni Tàpies sagen würde: "Es ist wie ein Klicken im Magen, das dir sagt: Stopp!"

Welche Vorteile hat es, seine Wohnung und Atelier getrennt zu haben?

Als ich von 2008 bis 2012 in Berlin lebte, mietete ich dort ein kleines Atelier, das ich auch als Wohnung nutzte. Ich erinnere mich, dass es für mich sehr anstrengend war, da ich mit den Bildern einschlief und am morgen nach dem aufwachen direkt sah, was ich am abend zuvor gearbeitet hatte. Es war schwierig, Abstand zu finden.

Daher bin ich jetzt sehr dankbar für die 15 Minuten Fußweg jeden Morgen und Abend. Viele Leute denken, dass Malen immer lustig ist aber ich verspüre oft eine Art der Sorge, die auch eine treibende Kraft meiner Arbeit ist.

Kannst du außerhalb des Ateliers gut von deiner Arbeit abschalten?

Die Kunst ist das, was meine Existenz rechtfertigt. Es ist meine Leidenschaft und mein Selbstverständnis. Das Leben vergeht so schnell und ich habe eine Menge zu sagen und zu tun.

Das ist sehr schwierig. Ich kann versuchen, mir vorzumachen, dass ich ein wenig abschalten, aber normalerweise bin ich immer in einem Zustand der Arbeit. Ich stelle mir oft vor, für längere Zeit auf Abenteuerreise zu gehen, an einen abgelegenen Ort, um monatelang nichts zu tun. Wenn ich dann fahre, bin ich spätestens am dritten Tag unruhig. Die Kunst ist das, was meine Existenz rechtfertigt. Es ist meine Leidenschaft und mein Selbstverständnis. Das Leben vergeht so schnell und ich habe eine Menge zu sagen und zu tun.

Wenn du eine Idee hast, schreibst du sie in ein Skizzenbuch oder wie ist deine Vorgehensweise?

Normalerweise sammle ich Post-its. Ich habe aber auch kleine Notizbücher mit Ideen für zukünftige Projekte. Wenn es um die Malerei geht, verwende ich in letzter Zeit nur wenige Skizzen und gehe direkt an die Leinwand.

Ich sehe unter deinen Sachen im Atelier eine Pinocchio-Figur. Welche Bedeutung hat diese für Dich?

Ich habe diesen Pinocchio von einer Reise nach Venedig. Es war mein erster Besuch auf der Biennale in Venedig und meine erste Reise nach Italien. Italien ist für mich insofern wichtig, als dass ich meine erste Ausstellung dort hatte. Das bedeutet mir viel.

Albert Pinya en Palma de Mallorca.

Was bedeutet Erfolg für dich?

Erfolg ist, jederzeit tun zu können, was man will, ohne Erklärungen abgeben zu müssen, mit totaler Freiheit und Autonomie.

Würdest du dich derzeit als erfolgreich beschreiben?

Heute fühle mich dem Scheitern näher als dem Erfolg. Ich suche immer nach einer Perfektion, die ich nicht finden kann und das erzeugt absolute Frustration, die mich stets begleitet.

Du hast mir erzählt, dass du kein Instagram oder Whatsapp hast und nicht in den soziales Netzwerken aktiv bist. Was denkst du über die Digitalisierung der Kunstwelt? Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?

Ich stehe dem Ganzen ziemlich skeptisch gegenüber. Ich glaube, ich habe bereits eine Art Trauma. Als ich bildende Kunst studierte, erinnere ich mich, dass meine Kommilitonen in meiner Klasse mehr damit beschäftigt waren, Blogs zu erstellen als sich dem Kunststudium zu widmen. Im Laufe der Zeit hat sich mein strenge Meinung darüber jedoch verändert und heute bin ich mir der Bedeutung bewusst, die das Internet als Instrument für die Verbreitung und Sichtbarkeit von Werken haben kann. Was ich aber weiterhin mehr als fragwürdig finde, sind die Künstler, die dafür leben, sich selbst im Internet auszustellen. Vorallem die jüngere Generation ist sehr davon beeinflusst, was auf dem Bildschirm erscheint. Es besorgt mich, wie diese Entwicklung ihr Urteil und ihr Handeln beeinflusst.

In Deutschland können nur etwa 10% der Künstler von ihrer Kunst leben. Wie ist die Situation auf Mallorca oder in Spanien allgemein?

Hier ist die Situation sehr prekär und viele Künstler sind gezwungen, mehr als einen Job zu haben, um über die Runden zu kommen. Es gibt nicht genug Unterstützung, darauf kann man sich nicht verlassen.

Kultur ist nur für eine Minderheit von Menschen von Interesse. Die Grundlage von allem ist Bildung. Das Problem ist, dass wir von denen regiert werden, die am wenigsten gebildet sind.

Ich habe immer gesagt: Ich lebe von dem, was ich mache, ich bin privilegiert. Trotzdem ist das alles sehr ungewiss, aber letztlich gehört das zum Beruf, zur Arbeit, zu dem, was man sich ausgesucht hat.

Du hast in Berlin gelebt und bist mit deiner Arbeit in mehrere Länder gereist, aber du wohnst immer noch auf der Insel. Was ist der Grund dafür, hier zu leben?

Mallorca hat ein sehr internationales Flair. Ich habe hier meine Basis, ich bin ruhiger als an anderen Orten und dank der Projekte, die ich entwickle, habe ich das Glück, mit einem Fuß drinnen und einem draußen zu sein.

Was ist für dich wichtiger, der Prozess oder das Endprodukt?

Beides dürfte gleich wichtig sein. Was ich persönlich am meisten genieße, ist der Prozess.

Die Kontemplation bei der Betrachtung des Endprodukts ist wohl eher etwas, was nicht dem Künstler sondern dem Betrachter vorbehalten ist. Die Kontemplation, das Betrachten des Endprodukts, ist etwas, das nicht zu mir gehört. Dafür gibt es bereits den Betrachter, der mit seinem Blick die künstlerische Erfahrung vervollständigt.

Mir ist aufgefallen, dass du in einer Ecke Klebeband und einige gebrauchte Farbdosen rumliegen hattest. Erzähl mir davon.

In diesem Fall sind all diese Klebebänder, die jetzt diese große Masse erzeugen, die ich in einer Ecke des Ateliers habe, Teil des Prozesses einer Reihe von Gemälden, die ich letztes Jahr gemacht habe, wo ich diese Klebebänder benutzt habe, um eine Reihe von geometrischen Formen zu machen. So ist diese Idee des Abfalls etwas, das mich in den letzten Jahren begleitet hat. Sie können der Samen oder Keim einer zukünftigen Idee sein.

Welchen Einfluss haben die Bilder, mit denen du arbeitest, auf deine Arbeiten?

Die Einflüsse können unterschiedlich sein, je nachdem, woher sie kommen. Ich beziehe mich immer auf die Zeichentrickserien, die ich in meiner Kindheit gesehen habe, vor allem von einem Autor namens Akira Toriyama. Damals wurde ich auch von der Ästhetik von Videospielen wie Mario Kart, Mario Yoshi oder auch der Ästhetik des ersten Nintendo beeinflusst.

Aus einer eher traditionelle Perspektive hat mich die Höhlenmalerei oder die romanische Malerei geprägt. Aber auch Künstler wie A. R. Penck, Jean Michel-Basquiat, Armando Reverón und James Ensor.

Heute werde ich von überall her beeinflusst.

Albert Pinya en su estudio en Palma de Mallorca.

Text: Janine Ahmann

Bilder: Irving Villegas

Janine Ahmann, geboren 1990, studierte Philosophie, Germanistik und Kulturpoetik der Literatur und Medien in Münster und Venedig sowie Deutsch als Fremdsprache über das Goethe Institut. Seit 2010 war sie in verschiedenen Positionen am Theater und an der Universität Münster tätig, kuratierte die Bereiche Musik und Bildende Kunst bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen und war von 2020-2023 als Referentin der Intendantin an der Staatsoper Hannover beschäftigt. Seit Beginn ihres Studiums liegt ein Fokus ihrer Tätigkeit auf dem Verfassen wissenschaftlicher, literarischer und journalistischer Texte. Zusammen mit Irving Villegas veröffentlichte sie zuletzt 2021 die Geschichte über die Einsamkeit während der Corona-Pandemie in Mexiko in der Chrismon.

Irving Villegas, geboren 1982 in Mexiko, hat Fotojornalismus und Dokumentarfotographie an der Hochschule Hannover University of Applied Sciences and Arts studiert. Derzeit pendelt er zwischen Hannover und Berlin.Arbeiten von ihm wurden in verschiedenen Magazinen und Zeitungen wie etwa The New York Times, The Guardian, Der Spiegel, 6 mois, Huffington post, Fluter, Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlicht.

Irving Villegas

Irving Villegas, geboren 1982 in Mexiko geboren, hat Fotojornalismus und Dokumentarfotographie an der Hochschule Hannover University of Applied Sciences and Arts studiert. Derzeit pendelt er zwischen Hannover und Berlin.Arbeiten von ihm wurden in verschiedenen Magazinen und Zeitungen wie etwa The New York Times, The Guardian, Der Spiegel, 6 mois, Huffington post, Fluter, Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlicht.

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