Vero Haas
Als ich Veros Arbeit zum erste Mal sah und begann mehr über sie zu recherchierte, fand ich heraus, dass sie an der UDK in Berlin studierte und sich dort mit anderen Studierenden einen großen Raum an der Universität als Atelier teilt. Als ich sie besuche, holt Vero mich am Eingang der Universität ab und wir gehen gemeinsam zu dem Raum, in dem sie arbeitet. Dieser ist sehr großzügig, mit großen Fenstern ausgestattet, die das Sonnenlicht perfekt in den Raum fallen lassen. Im Raum verteilt stehen viele Farben und Leinwände zum Malen. Alles wirkt ein wenig chaotisch aber sehr inspirierend. Direkt am Eingang befindet sich der Bereich von Vero, der ca. 17qm groß ist und durch eine Wand von den drei oder vier anderen Bereichen abgetrennt ist, die von den anderen Studierenden genutzt werden. Vero erzählt mir, bei einem Kaffee, den ich aus Ermanglung an Tassen auf einem Teller serviert bekommen, wie ihr Interesse an der Kunst begann, von ihren Erfahrungen als Studentin im Ausland, ihrer Meinung über die Bedeutung des Prozesses und des Endprodukts und von der Art und Weise, wie sie mit Pigmenten arbeitet.
Gab es in deiner Familie einen künstlerischen Hintergrund?
In meiner Familie hat eigentlich niemand einen künstlerischen Hintergrund aber meinen Eltern war es sehr wichtig, ihren Kindern mehr zu ermöglichen, als sie selber hatten. Sie wollten daher auch, dass wir ein Instrument erlernten und wir hatten immer Stifte und Farben im Haus. Wir haben als Kinder viel gebastelt und hatten immer Material da, mit dem wir das machen konnten.
Im Grundschulalter war mein Wunsch Modedesignerin zu werden. Ich dachte, da kann ich die ganze Zeit Frauen in schönen Kleidern zeichnen. Ich hatte kleine Bücher, wo ich Prinzessinnen mit Kleidern gezeichnet habe und das kam meiner Vorstellung, die ganze Zeit malen zu dürfen am nähsten.
Wie und wann hast du angefangen, dich für Kunst zu interessieren?
Dass Kunst und Malerei mir wirklich wichtig sind, habe ich mit 16, 17 richtig gemerkt. Ich habe auch meinen Schwerpunkt im Abitur auf Kunst gelegt, aber nach dem Abschluss habe ich mich nicht so richtig getraut, das tatsächlich zu machen und habe dann etwas anderes studiert, bevor ich mich mit 23 dazu entschlossen habe, wirklich Kunst zu studieren. Es gab aber bereits früher viele Hinweise darauf, die ich jetzt im Nachhinein sehe. In meinem ersten Studium gab es beispielsweise Fächer, wo es um Zeichnen ging. Diese Fächer waren mir immer sehr wichtig. Es hat aber lange gebraucht, bis ich mir dann wirklich erlaubt habe, das zu wollen und wirklich zu machen.
Was war dein erstes Studium?
Mein erstes Studienfach war Landschaftsarchitektur, welches auf jeden Fall einen kreativen Anteil hatte und es gab viele spannende Sachen in diesem Studium. Man entwirft zum Beispiel Parks oder andere öffentliche Plätze. Während dieser Zeit habe ich einen Austausch in Kopenhagen gemacht, das war richtig toll. Da haben wir auf einem Festivalgelände etwas entwerfen und bauen dürfen. Wir haben für das Projekt etwas Geld bekommen und durften bauen, was wir wollten. Viele haben Bänke gebaut und ich habe eine Installation umgesetzt. Richtig hoch, mit drei Meter hohen Stäben. Das hat mir so Spaß gemacht, dass ich gedacht habe „Wow, das ist das erste Projekt in meinem Studium, was ich jemals gemacht habe, wo ich mir denke: so etwas würde ich gerne noch einmal machen.“ Und auch das war einer der Hinweise, die ich heute als Weg zu meinem Kunststudium betrachte.
War es schwierig, einen Studienplatz an der UDK Berlin zu bekommen?
Ja. Es ist grundsätzlich nicht einfach an die Kunst-Uni zu kommen. Man muss sich mit einer Mappe bewerben, für die ich mir ein Jahr lang Zeit genommen habe. Diese Zeit war irgendwie stressig, aber gleichzeitig auch sehr schön, denn ich hatte ein klares Ziel vor Augen: Ich will da angenommen werden. Aber an sich gibt es immer viel weniger Plätze als Bewerber bei den Kunsthochschulen. Von daher gibt es auch Leute, die es öfter versuchen müssen oder es auch gar nicht schaffen.
Ich bin jetzt im fünften Semester aber die Corona-Semester zählen nicht. Regulär wäre ich also schon im neunten Semester, aber weil man wegen Corona nicht richtig arbeiten, nicht in die Werkstätten konnte, zählen diese nicht dazu und daher bin ich jetzt im fünften Semester. In der Mitte des Studiums sozusagen. Für mich fühlt es sich auch tatsächlich gut an, noch Zeit hier verbringen zu dürfen, weil ich in den letzten zwei Jahre so wenig in den Werkstätten arbeiten konnte. Es ist auf jeden Fall gut, die Zeit nachholen zu können, die durch Corona fehlt.
Wie ist es, an der UDK in Berlin Kunst zu studieren? Arbeitest du eher frei oder bekommst du viele Aufgaben von den Dozenten und Professoren?
Ich muss sozusagen alles alleine entschieden. In Berlin ist das Ich muss eigentlich alles alleine entschieden. In Berlin ist das Studium schon sehr frei. Man kann eigentlich tun, was man möchte. Mein Studiengang heißt Bildende Kunst. Man kann hier seinen Schwerpunkt auf die Malerei legen oder aber auf Performance, Fotographie, digitale Kunst oder was auch immer man möchte. Es ist ganz einem selbst überlassen. Man kann natürlich mit seinem Professor, seiner Professorin oder mit Werkstattleitern darüber reden, wie man weitermacht möchte, wenn man eine Idee hat, aber an sich liegt es immer bei einem selbst, Ideen zu erarbeiten oder ein Projekt zu beginnen. Ich persönlich mag meine Professorin gerne, darum darf sie mir auch sagen, was ich tun soll. Ich frage sie nach ihrer Meinung, nehme sie ernst und versuche, etwas in die Richtung zu machen, aber es gibt sehr wenige Personen, deren Ratschlag ich annehmen würde. Ich glaube schon, dass man seinen eigenen Weg finden muss.
Mir hat mal ein Künstler gesagt, wenn man zehn Künstler fragt, bekommt man elf Meinungen.
Ich glaube, jeder wird einem etwas anderes sagen, je nach Lebenserfahrung. Von daher glaube ich auch, dass es wenig bringt, viele Leute nach ihrer Meinung zu fragen, sondern man muss sich genau auswählen, wessen Meinung einem wichtig ist.
Kannst du mir etwas über den Raum erzählen, den du als Atelier an der Universität nutzt?
Jeder Studenierende bekommt in den Räumen der UDK einen Atelierplatz. Nach der Grundausbildung kommt man zu einem Professor oder einer Professorin bei der man sich bewirbt. Jeder der Professoren hat ungefähr drei Räume und in einem von diesen Räumen ist man dann bis zu seinem Abschluss, wenn man in der Klasse bleiben möchte. Wie groß der Platz dann ist, ist ein wenig Verhandlungssache mit den anderen Studierenden. An sich ist an der UDK gerade eher Platzmangel, was auch ein wenig an Corona liegt, weil viele jetzt keinen Abschluss gemacht haben und länger bleiben dürfen, aber es steht einem auf jeden Fall ein Platz zu. Man muss dann lernen sich durchzusetzen und zu sagen „Ich brauche aber so und so viel Platz.“
Mit wie vielen Personen teilst du dir den Raum, in dem sich dein Atelier an der UDK befindet?
Meine Klasse ist mit 35 Leuten die größte. In dem Raum von mir sind wir insgesamt zu acht. Allerdings arbeiten selten mehr als drei gleichzeitig hier. Es gibt einige Kommilitonen, die ein zweites Fach studieren, weil sie Lehrer werden wollen oder auch Studierende, die von zu Hause aus oder mehr in der Werkstatt arbeiten. 35 ist natürlich viel für drei Räume, aber da nicht immer alle da sind, funktioniert es dann irgendwie doch gut. An sich hatte ich die letzte Zeit gut Platz. Das lag aber vielleicht auch an Corona, dass viele nicht da waren.
Konntest du zu Corona-Zeiten ins Atelier an der Universität gehen?
Vor Corona habe ich noch sehr viele Sachen ausprobiert, aber während Corona lag der Fokus dann nur auf der Malerei. Ich war ungefähr jeden Tag im Atelier. Während des Lockdowns war ich dann sogar jeden Tag acht Stunden hier.
Ich glaube, das Atelier hat uns in dieser Zeit sehr geholfen. Wir haben uns gegenseitig gepusht dort zu sein und zu arbeiten. Das war sehr schön und es ist natürlich spannend zu sehen, was die anderen Personen machen. Es inspiriert einen, ob man will oder nicht. Die Arbeiten finden dann irgendwann eine Gemeinsamkeit und ich glaube, man braucht das am Anfang des Studiums sehr. Damit man Menschen trifft, denen Kunst genauso wichtig ist, wie einem selbst. Mein enger Freundeskreis, die Leute, mit denen ich eng zusammenarbeite, sind nicht in meiner Klasse, die habe ich woanders kennengelernt. Aber mit Leuten zusammenzuarbeiten ist für den Anfang sehr gut. Das ist auch das Höchstmaß, was die Uni für einen tun kann. Kunst kann man nicht beigebracht bekommen, aber die Uni kann einen in Kontakt bringen mit Leuten, von denen man lernen und denen man helfen kann, die das Gleiche wollen. In seinem alltäglichen Leben trifft man nicht viele Leute, die das auch wollen und vielleicht verstehen die meisten das auch nicht. Womit einem die Kunst-Uni total hilft, ist der Kontakt zu Gleichgesinnten. Ich könnte mir aber vorstellen, irgendwann ein Studio für mich alleine zu haben.
Lissabon. In Lissabon ist das wirklich sehr anders. Alle legen etwas um ihren Platz herum. Hier ist es nicht so, dass man alles schmutzig machen darf oder eine leere Bierkiste im Atelier rumsteht. Das ist wirklich anders. Es ist definitiv ordentlicher an der Uni. Hier gibt es keinen Rundgang, da wird nicht renoviert, da wird alles sauber gehalten. Ich habe hier jetzt aber endlich einen Ort gefunden, an dem ich gut malen kann. An dem ich auch schmutzig sein darf beim Malen. In Berlin sind die Ateliers manchmal richtige Müllkippen und ja, alles sehr farbig nach einiger Zeit.
Glaubst du, dass es als Künstler:in wichtig ist, Austauschprogramme oder Aufenthalte in anderen Ländern zu absolvieren?
Ich war schon einmal in meinem ersten Studium im Ausland und das hat mir total gutgetan. Das war toll und dann wollte ich das noch einmal machen, weil ich damit schon gute Erfahrungen gemacht habe und mit Erasmus ist es relativ leicht, einen Austauschplatz zu bekommen. Die meisten, die einen wollen, bekommen auch einen und man bekommt einfach Geld geschenkt dafür, dass man im Ausland studiert. Ich glaube, einfacher als so im Ausland zu leben, wird es einem nicht mehr gemacht.
Ich wollte eine Zeit lang außerhalb von Berlin leben, auch weil der Lockdown hier so schwer für mich war. Ich hatte zu der Zeit schon sieben Jahren in Berlin gelebt – also richtig lange – und ich dachte: ich muss schon mal wieder weg. Und ich war sehr froh, dass ich das gemacht habe. Jetzt freue ich mich auch wieder darauf zurück zu kommen und ich finde es gleichzeitig richtig toll, im Ausland zu sein. Es ist natürlich auch viel Arbeit und schwierig, bis man sich eingelebt hat. All die tausend Sachen, an die man denken muss und die Materialien und Farben. Aber ich freue mich sehr, dass ich hier her gekommen bin. Ich würde es jedem empfehlen, ins Ausland zu gehen, vorallem wenn man dafür Geld bekommt
Was ist für dich wichtiger: der Prozess oder das Endprodukt?
Für mich persönlich ist das der Prozess. Obwohl das vielleicht ein bisschen widersprüchlich klingt in der Malerei, da am Schluss das fertige Werk steht und der Prozess verschwunden ist. Das Bild verkaufe ich aber ja im Idealfall. Das gehört dann nicht mehr mir und alles was mir gehört, was mir bleibt, ist der Prozess. Ich kann mir vorstellen, dass für viele bildende Künstler der Prozess wichtig ist.
Interessieren sich die Menschen, die sich deine Arbeiten ansehen oder ein Kunstwerk von dir gekauft haben, für den Prozess?
Ich glaube nicht, dass man den Hintergrund kennen muss, um eine Arbeit ästhetisch schön zu finden. Ich versuche, auch immer Arbeiten herzustellen, wo man sich sowohl für die Geschichte, das Konzept oder die Motivation interessieren kann, aber die auch einfach ästhetisch ansprechend sind. Ich will meine Malerei nicht überintellektualisieren. Es geht in ihr auch darum, einfach nur zu Sehen. Ich finde das ist etwas sehr Schönes und Pures, dieses Einfach-nur-Sehen und sich so auf diesen Moment einzulassen, etwas wirklich nur anzuschauen und sich die Zeit zu nehmen, etwas zu sehen. Das finde ich wunderschön. Wenn sich jemand so auf die Arbeit einlassen kann, muss man gar nicht mehr wissen. Wenn es dann jemanden interessiert, kann man viel zu dem Werk sagen. Für mich macht das aber keinen Unterschied, ob es jemand wissen möchte oder nicht. Den Hintergrund zu kennen ist für mich persönlich wichtig, aber das gehört dann wieder mehr zum Prozess als zum Endprodukt.
Dass Leute mein Atelier besuchen, das kommt häufiger vor. Dass sie sehen wollen, wo ich arbeite oder auch wenn Leute mehrere Bilder gleichzeitig von mir sehen wollen. Dann ist es am praktischsten, wenn sie in mein Atelier kommen, aber das jemand dabei sein möchte, den Prozess sehen will, das gab es, glaube ich noch nicht. Ich denke auch, dass wenn jemand zuguckt, ich gar nicht richtig arbeiten kann. Ich glaube, der Prozess gehört nur mir und da kann man als Zuschauender im Moment gar nicht so teilnehmen. Vielleicht ist das irgendwann anders, aber im Moment kann ich da keine Zuschauer gebrauchen.
Wann weißt du, dass eines deiner Kunstwerke fertig ist?
Es ist nicht immer gleich. Manchmal ist es sehr schwierig und manchmal sehr leicht, manchmal sehr schnell und machmal sehr langsam (lacht). Am besten kann ich arbeiten, wenn ich mehrere Leinwände vorbereitet habe. Ich habe alles Material vorbereitet, alle Farben angemischt und am besten habe ich schon eine konkrete Idee, etwas, was mich interessiert, irgendwas Spezifisches. Im Idealfall habe ich schon eine kleine Skizze. Damit kann ich am besten arbeiten, wenn ich schon so viel vorbereitet habe, und dann improvisiere ich. Zusammengefasst: eine gute Vorbereitung und Improvisation.
Kannst du mir etwas über deinen Arbeitsprozess mit Pigmenten erzählen?
Ich mische meine Farben mit Pigmenten. Es gibt dafür verschiedene Rezepte, wie man Temperafarben anmischen kann und ich probiere auch immer neue Rezepte aus. Im Moment sind die Pigmente, die ich benutze synthetisch. Weil Lissabon am Strand liegt, kann ich hier verschiedene Muscheln sammeln, diese dann malen und aus den Muscheln Farbe herstellen. Ich denke, dass ich in Zukunft auch Steine sammeln und aus ihnen Pigmente herstellen werde. Es ist sehr spannend, noch mehr selbst herzustellen. Ich finde das einfach sehr interesant, sich damit zu beschäftigen, welche Eigenschaften die Farbe haben wird, wenn man sie selbest herstellt. Wenn man kontrollieren kann, wie deckend die Farbe ist, ob sie wasserlöslich ist oder nicht. Wie sie aussieht, wenn sie trocknet. Ich glaube, wenn man so gutes Material hat, kann man auch Bilder malen, die so aussehen, wie man sie sich sie vorstellt. Für mich ist es sehr wichtig, gutes Material zu haben. Ich habe auch hier in Lissabon andere Farben gehabt, so fertig angemischte Ölfarben, weil ich dachte, dass es einfacher ist, die aus Deutschland mitzunehmen. Aber ich habe wirklich gemerkt, dass ich meine eigenen Farben brauche, die ich selber anmischen kann. Jetzt habe ich in Deutschland sehr teure Pigmente bestellt. Ich will unbedingt mit meinen richtigen Farben malen. Ich glaube, da habe ich auch begriffen, dass dies für meine Arbeit sehr wichtig ist und nicht beliebig austauschbar. Weil sich die Farben sich so unterschiedlich verhalten, dass es ein ganz anderer Malprozess ist, wenn man andere Farben benutzt.
Text: Janine Ahmann
Bilder: Irving Villegas
Janine Ahmann, geboren 1990, studierte Philosophie, Germanistik und Kulturpoetik der Literatur und Medien in Münster und Venedig sowie Deutsch als Fremdsprache über das Goethe Institut. Seit 2010 war sie in verschiedenen Positionen am Theater und an der Universität Münster tätig, kuratierte die Bereiche Musik und Bildende Kunst bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen und war von 2020-2023 als Referentin der Intendantin an der Staatsoper Hannover beschäftigt. Seit Beginn ihres Studiums liegt ein Fokus ihrer Tätigkeit auf dem Verfassen wissenschaftlicher, literarischer und journalistischer Texte. Zusammen mit Irving Villegas veröffentlichte sie zuletzt 2021 die Geschichte über die Einsamkeit während der Corona-Pandemie in Mexiko in der Chrismon.
Irving Villegas, geboren 1982 in Mexiko geboren, hat Fotojornalismus und Dokumentarfotographie an der Hochschule Hannover University of Applied Sciences and Arts studiert. Derzeit pendelt er zwischen Hannover und Berlin.Arbeiten von ihm wurden in verschiedenen Magazinen und Zeitungen wie etwa The New York Times, The Guardian, Der Spiegel, 6 mois, Huffington post, Fluter, Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlicht.